Gesundheits-Apps und Webanwendungen für Patienten gibt es in Hülle und Fülle. Warum aber sind immer noch vergleichsweise wenige in der Regelversorgung verankert? Und wie lässt sich das ändern? Das untersuchen wir gemeinsam mit Experten in unserer Analyse „Transfer von Digital-Health-Anwendungen in den Versorgungsalltag“. In den kommenden Wochen veröffentlichen wir die nächsten Teilberichte. Aus diesem Anlass ein kleiner Rückblick auf Teil eins der Analyse und zwei übergeordnete Aussagen, die wir schon jetzt treffen können. Die erste: Digital Health ist anders als andere Innovationen im Gesundheitswesen. Das System braucht angepasste Verfahren und Logiken des Innovationstransfers. Die zweite: Der sogenannte erste Gesundheitsmarkt ist anders als andere „Verbrauchermärkte“. Darauf sollten sich Gründer frühzeitig einstellen.


Digital Health ist neu und anders

Die Diagnose ist einfach: Die Zahl der Gesundheits-Apps wächst stetig. Die Entwicklung aber findet immer noch vor allem auf dem zweiten Gesundheitsmarkt statt. Nur sehr wenige neue Anwendungen und Lösungen sind bereits im Versorgungsalltag des „klassischen Gesundheitssystems“ verankert – von den viel zitierten Pionieren einmal abgesehen. Nur wenige Hersteller orientieren sich am real existierenden Bedarf in der Gesundheitsversorgung und begeben sich auf den „steinigen Weg“ ins Versorgungssystem, sie schielen eher auf den – vermeintlich – breiten Markt der gesunden Verbraucher. Anderen gelingt der Zugang nicht, wieder andere wenden sich ausländischen Märkten zu.

Woran aber liegt das? Zusammen mit Karsten Knöppler und seinem Team haben wir im vergangenen Jahr ein Modell für den Transfer von Digital-Health-Anwendungen in den Versorgungsalltag veröffentlicht. Wir haben einen idealtypischen Weg von der Produktidee bis in die Versorgung beschrieben und darin zentrale Hürden identifiziert. Und vor allem haben wir einen grundsätzlichen Erklärungsansatz gefunden. Nämlich: Digital Health ist für das Gesundheitssystem vergleichsweise neu und vor allem anders. Die neuen Anwendungen und Lösungen lassen sich nicht direkt vergleichen mit „herkömmlichen“ Innovationen wie Arzneimitteln, Medizinprodukten oder neuen Versorgungsformen. Besonders augenfällig ist das beim Beispiel „Release-Zyklen“: Hier unterscheiden sich Digital-Health-Anwendungen deutlich.

rung von Digital-Health-Anwendungen im Vergleich zu anderen Innovationen
Digital-Health-Anwendungen unterscheiden sich in ihrer Art teils deutlich von anderen Innovationen im Gesundheitswesen.

Die bisherigen Logiken und Verfahren des Innovationstransfers lassen sich also nicht 1:1 auf Digital Health übertragen, ob im Bereich des Nutzennachweises, bei der Innovations- und Forschungsförderung, der Medizinproduktezertifizierung oder bei Kostenerstattung und Vergütung. Hinzu kommt: Bislang gibt es kaum Markt- und Qualitätstransparenz und kaum Interoperabilität zwischen Patientenanwendungen und den Anwendungen der Leistungserbringer. Entsprechend gelingt es dem Gesundheitssystem noch nicht, innovative Anwendungen zu identifizieren und in die Gesundheitsversorgung zu überführen, zumindest nicht systematisch. Die Folge: Es braucht teils neue, teils angepasste Verfahren und Logiken für Digital Health, die System-Akteure müssen sich aktiv mit den Eigenschaften dieses neuen Innnovationsbereiches auseinandersetzen.

Der erste Gesundheitsmarkt ist anders

Es ist aber nicht nur das System, das auf neue Anforderungen reagieren muss. Die Gründer und Hersteller sollten sich auch auf das System einstellen. Denn der Gesundheitsmarkt ist anders als andere Verbrauchermärkte, Gesundheit ist ein besonderes Gut. Ob und wie eine Anwendung wirkt oder nicht wirkt, ob sie sicher ist oder nicht, kann entscheidende Konsequenzen haben. Entsprechend ist es richtig und wichtig, dass der Marktzugang reguliert ist, dass etwa die Wirksamkeit nachgewiesen werden muss.

Unsere Anregung – auch gespeist aus den Erfahrungen der Pioniere im Feld: Gründer sollten sich früh entscheiden, welchen Weg sie nehmen wollen. Wenn es ihr Ziel ist, in den ersten Gesundheitsmarkt zu gelangen, müssen sie ihren Geschäftsplan danach ausrichten. Sie sollten früh entsprechende Ressourcen und Kompetenzen einplanen, ob für die Zertifizierung als Medizinprodukt, das Aufsetzen einer Studie zum Nutzennachweis oder Gespräche zur Kostenerstattung durch Krankenversicherungen.

Modell für den Transfer von Digital-Health-Anwendungen in den Versorgungsalltag
Idealtypischer Weg von der Produktidee bis zur Implementierung im Versorgungsalltag und Hürden im Prozess. In Teilbericht 1 der Analyse findet sich im Anhang ein im Detail nach Arbeitspakten aufgeschlüsseltes Modell, das von Gründern als eine Art „Kochbuch“ genutzt werden kann.

Ausblick

In den kommenden Wochen werden wir die nächsten Teilberichte unserer Analyse veröffentlichen und konkrete Handlungsempfehlungen zur Optimierung der Verfahren machen – zum Thema Innovations- und Forschungsförderung, zur Medizinproduktezertifizierung, zur Vergütung und Kostenerstattung und zum Thema Nutzennachweis. Wir wissen, dass derzeit an verschiedenen Stellen zu diesen Themen gearbeitet wird, dass verschiedene (sich teils ergänzende) Vorschläge gemacht werden – so etwa auch in der „Roadmap Digitale Gesundheit“, die wir zusammen mit dem Expertennetzwerk „30 unter 40“ erstellen. Wir freuen uns auf den Austausch zu den Vorschlägen und laden schon jetzt zur Kommentierung unserer Handlungsempfehlungen ein. Sodass künftig (mehr) Digital-Health-Anwendungen für die Versorgung nutzbar werden.


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