Ob digitale Gesundheit in der Versorgungspraxis ankommt, steht und fällt mit der Akzeptanz in der Ärzteschaft – deutlich zu erkennen etwa beim Thema Video-Sprechstunden. Doch wie blicken „die Ärzte“ aktuell auf Digital Health? In den vergangenen Monaten wurden gehäuft die Ergebnisse von Ärztebefragungen zu verschiedenen Aspekten digitaler Gesundheit veröffentlicht. Wir haben uns gefragt: Lässt sich trotz heterogener Herkunft der Umfragen ein eindeutiges Bild ableiten? Oder sind die Aussagen zu divers, ja sogar widersprüchlich? Um das herauszufinden, haben wir sechs Online-Befragungen aus diesem und vergangenem Jahr miteinander verglichen. Das Ergebnis: Die Analysen sind nur bedingt vergleichbar und müssen immer vor dem Hintergrund der gewählten Methode und Stichprobe betrachtet werden. Erkennen lässt sich aber: Es gibt eine tendenziell positivere Grundhaltung zu Digital Health als oft vermutet. Jedoch zweifeln viele Ärzte noch an der Praktikabilität der konkreten Anwendungen.


Sechs Umfragen aus 2016 und 2017 analysiert

Bei unserer Online-Recherche haben wir die folgenden sechs in diesem oder vergangenem Jahr veröffentlichten Ergebnisse von Ärztebefragungen gefunden – jeweils mit Fokus auf das Themenfeld „Digitale Gesundheit“:

  1. Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2016: Digitalisierung des Arztberufs [1]
    374 niedergelassene Ärzte, Stiftung Gesundheit, 2016
  2. Arzt-Umfrage: Motive zur Nutzung von Online-Terminlösungen [2]
    1.382 bei Jameda registrierte Ärzte, Jameda, Mai 2016
  3. Wie bereit sind die Ärzte für Videosprechstunden? [3]
    386 bei Coliquio registrierte Haus- und Fachärzte, Coliquio, April 2017
  4. Studie: Arzt & Digitalisierung [4]
    1.346 bei Jameda registrierte Ärzte, Jameda, Mai 2017
  5. Gesundheit 4.0 – Wie Ärzte die digitale Zukunft sehen [5]
    477 Ärzte, Bitkom und Hartmannbund, Juni 2017
  6. Realitäts-Check – Nutzen Ärzte Health Apps? [6]
    252  bei Coliquio registrierte Ärzte, Coliquio, Juli 2017

Bereits bei der Analyse der Befragungsmethodik fiel auf, dass die Vergleichbarkeit der Ergebnisse nur eingeschränkt möglich sein würde. Zum einen waren genaue Angaben zur Methodik häufig nicht zugänglich, zum anderen waren die Stichproben sehr unterschiedlich. Während beispielsweise bei einer Umfrage nur niedergelassene Ärzte adressiert wurden [1], war bei einer anderen unter den Befragten jeder Vierte Zahnarzt und jeder Vierte Inhaber einer privatärztlichen Praxis [4].

Kein einheitliches Bild bei wahrgenommenen Potenzialen

In drei der Befragungen wurden Ärzte danach gefragt, worin sie die Chancen bzw. Potenziale digitaler Gesundheit sehen. Nicht alle der jeweils vorgegebenen Antwortoptionen wurden immer veröffentlicht, auch die Antwortvorgaben wichen voneinander ab (teilweise Mehrfachnennungen erlaubt, teilweise maximal drei Nennungen). Der Vergleich zeigt entsprechend kein konsistentes Bild: Während in einer Befragung als größte Potenziale die Verbesserung der Kommunikation zu Behandlern (57 Prozent Zustimmung) und Patienten (32,2 Prozent Zustimmung) genannt wurde [1], standen an anderer Stelle [5] die direkten Vorteile für Ärzte im Vordergrund: Zeitersparnis und mehr Möglichkeiten bei der Behandlung durch digitale Technologien.

Ob Digital Health die Versorgungsqualität verbessern kann? Dem stimmten die befragten Mediziner an einer Stelle in nur 19,4 Prozent der Fälle zu [1: nur Niedergelassene]. Deutlich optimistischer zeigten sich Ärzte in einer anderen Umfrage [4: 25 Prozent Zahnärzte und Privatpraxen]: Hier sagten 57 Prozent „Ja“ – allerdings nur, wenn Digitalisierung auch „richtig eingesetzt“ werde.

Welche Probleme und Risiken gibt es aus Sicht der Ärzte? Datenschutz und Praxisreife

Einig waren sich die Ärzte in den Umfragen, wenn es um die negativen Auswirkungen von digitaler Gesundheit ging. Einmal wurden „Sorge um Datenschutz“, „Sorge um IT-Sicherheit“ und „Mangelnde Praxisreife der digitalen Anwendungen“ als Bremser digitaler Innovationen in Deutschland genannt [5]. In einer anderen Befragung waren ebenfalls die unausgereifte praktische Umsetzung (67,2 Prozent) sowie die Probleme mit dem Datenschutz (61,8 Prozent) die mit Abstand meistgenannten Antworten [1].

Video-Sprechstunden: Bisher nur marginal im Praxiseinsatz

Die Online-Sprechstunde per Video wurde in fünf der Umfragen thematisiert. Zwei Mal wurde danach gefragt, ob sich Ärzte die Video-Konsultation von Patienten vorstellen können: Einmal bejahten 47 Prozent die Frage [1], einmal waren es 60 Prozent [3]. Nur wenige Ärzte setzen Video-Sprechstunden bereits ein – in diesem Ergebnis stimmten die Umfragen überein: Es waren entweder 3 oder 4 Prozent [3, 4, 5].

Online-Videosprechstunden: Bisher kaum im Praxiseinsatz, Ärzte aber offen für neue Technologie

Nutzung von Online-Terminvereinbarung zwischen 10 und 33 Prozent

Als Beispiel für digitale Serviceangebote wurde in den meisten Umfragen erfragt, ob Ärzte ihren Patienten bereits eine Online-Terminvereinbarung anbieten. Die geringste Zustimmungsrate lag in Befragung [1] bei 15,6 Prozent (nur Niedergelassene, 2016). In Befragung [5] waren es immerhin 20 Prozent bei den Niedergelassenen und 10 Prozent bei den Krankenhausärzten (2017). In zwei weiteren Umfragen lag der Wert bei 31 Prozent [4] bzw. 33 Prozent [2]. Allerdings beziehen die diese beiden Zahlen auf Befragungen von Jameda-Nutzern, denen dieser Service auch direkt angeboten wird.

Nutzen Ärzte Online-Terminvereinbarungen? Umfrageergebnisse weichen stichprobenbedingt voneinander ab

Aus der Frage nach dem Einsatz von Online-Terminvereinbarungen lassen sich zwei Erkenntnisse ziehen. Erstens, inhaltlich: Ärzte bieten ihren Patienten bereits digitale Services an. Zweitens, methodisch: Sind Befragungen nicht repräsentativ für die gesamte Ärzteschaft, muss man ihre Ergebnisse unbedingt vor dem Hintergrund der gewählten Stichprobe betrachten.

Ärzte sprechen mit Patienten über Gesundheits-Apps – oder nicht?

Laut einer Befragung sprechen 45 Prozent der Ärzte mit ihren Patienten über Gesundheits-Apps, fast jeder fünfte sogar häufig [6]. An anderer Stelle [5] wurde zwar leicht abweichend gefragt („Hat ein Patient Sie schon einmal auf eine Gesundheits-App angesprochen?“), hier antworteten allerdings nur 25 Prozent der Befragten mit „Ja“.

Fazit: Vergleichbarkeit eingeschränkt, Tendenz erkennbar

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die untersuchten Ärztebefragungen nur bedingt miteinander vergleichbar sind. Über die beschriebenen Aspekte hinaus wurden in vielen Umfragen weitere wichtige Fragen gestellt. Eine positive Grundhaltung gegenüber Digitalisierung lässt sich in den Ergebnissen erkennen, auch eine – wenn auch vorsichtige – Öffnung gegenüber digitalen (Service-)Angeboten.

Um die Akzeptanz für digitale Gesundheit auf ärztlicher Seite zu steigern, braucht es jedoch weitere Aufklärung, beispielsweise in Form einer Leitlinie zur digitalen Fernbehandlung oder einer Integration digitaler Kommunikationslogiken in die medizinischen Aus- und Weiterbildung. Ebenso können erlebbare Praxisbeispiele helfen, die ärztliche Akzeptanz für sinnvolle digitale Anwendungen zu steigern.


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