Die Gesundheitsversorgung in Deutschland braucht eine stärkere Patienten- und Ergebnisorientierung. Denn oft genug wissen Ärzte- und Pflegeteams nicht, inwiefern die angestrebten Behandlungsziele bei ihren Patientinnen und Patienten kurz-, mittel- und langfristig eingetreten sind. Um zu erfahren, wie es den Erkrankten wirklich geht, spielen systematisch erhobene Patientenrückmeldungen zu Behandlungsergebnissen und -Prozessen – so genannte Patient-Reported Outcomes (PROs) und Patient-Reported Experiences (PREs) – eine zentrale Rolle. Sie vervollständigen die rein klinische Perspektive auf die Qualität der Gesundheitsversorgung.


Patientinnen und Patienten suchen das Gesundheitssystem auf, weil es ihnen schlecht geht und sie auf Versorgung, Linderung und Heilung hoffen. Eine Binsenweisheit. Doch sind die Behandlungsziele aus Patientensicht überhaupt erreicht worden? Wie geht es Betroffenen vor und nach einem Eingriff, wie geht es chronisch Erkrankten im Verlauf ihrer fortlaufenden Behandlung? All dies wird in Deutschland bisher nicht systematisch erhoben und nachgehalten. Die Patientenperspektive auf Prozesse und Ergebnisse in der Gesundheitsversorgung spielt bisher nur eine geringe Rolle.

Dabei gibt es viele Aspekte der Versorgungsqualität, die auch oder sogar ausschließlich durch patientenberichtete Daten erhoben werden können – beispielsweise zu Schmerzen und Beweglichkeit, zu Ängsten oder Erschöpfung, oder auch zu Fragen des Respekts, der gemeinsamen Entscheidungsfindung oder des Informationsflusses zwischen Leistungserbringern. Es gibt zwei Kategorien von patientenberichteten Daten: Patient-Reported Experience dokumentieren, was Patientinnen und Patienten im Versorgungssystem erlebt haben. Patient-Reported Outcomes zeigen an, wie es Erkrankten geht und wie sie ihren eigenen Gesundheits- bzw. Krankheitszustand einschätzen.

Patientenperspektive auf Versorgungsqualität muss Berücksichtigung finden

Nur wenn diese patientenberichteten Daten systematisch erhoben und ggf. mit klinischen Daten verknüpft ausgewertet werden, lässt sich die Qualität der Gesundheitsversorgung umfassend beurteilen. Klinische und administrative Daten allein reichen als Datenquellen für ein Urteil über die Versorgungsqualität nicht aus.

Beitrag von PROs und PREs zur Messung der Versorgungsqualität

PROs verbessern Selbstmanagement und Therapiesteuerung

PRO-Daten werden in vielen Ländern und auch hierzulande für zahlreiche Zwecke eingesetzt. Sie dienen dabei vor allem dem Qualitätsmanagement und Benchmarking, der Qualitätssicherung und der Forschung. Zugleich gewinnt ihre Nutzung für die Therapiesteuerung in vielen Ländern derzeit vermehrt an Bedeutung. Denn die PRO-Daten können den befragten Patientinnen und Patienten selbst im Rahmen eines verbesserten Selbstmanagements und einer gezielteren Therapiesteuerung zugutekommen und dadurch vielfältigen Nutzen erzeugen: bessere Kommunikation, weniger Versorgungsbedarfe und bessere Outcomes.

In Deutschland wächst die Anzahl der Akteure, Initiativen und Projekte, die PROs zur Evidenzgenerierung und qualitätsorientierten Steuerung einsetzen – aber auch und besonders als Instrumentarium für eine bessere individuelle Patientenversorgung. Trotz der positiven Entwicklung bleibt es bisher bei einem Flickenteppich an Aktivitäten, verwendeten Fragebögen und entwickelten IT-Lösungen. Die großen Potenziale patientenberichteter Daten werden sich ohne zentrale Weichenstellungen nicht heben lassen.

Nutzungszwecke von Patient-Reported Outcome Measures

Potenziale von PROs endlich heben

Nicht nur die Politik, sondern alle an der Versorgung beteiligten Akteure, inklusive Regulierungsbehörden und Wissenschaft sind gefordert, damit patientenberichtete Daten strukturiert erhoben und ausgewertet und für eine wirklich patientenzentrierte Gesundheitsversorgung berücksichtigt werden können. Eine PROM-Implementierung sollte sich auf folgende Erfolgsfaktoren stützen:

  1. Bessere, auch finanzielle Anreize für Klinik und Praxis, um PRO-Daten zu erheben und auszuwerten
  2. Eine unterstützende, interoperable IT-Infrastruktur, die die Verknüpfung von Praxis- und Kliniksoftware mit digitalen Tools für eine zuverlässige und effiziente Datenerhebung sowie KI-basierte Datenanalysen ermöglicht
  3. Standardisierung von Fragebögen, ihrer Methodik und des Erfassungsprozesses
  4. Politischer Wille, mehr Patientenzentrierung über die Nutzung von PRO-Daten systematisch auf den Weg zu bringen
  5. Stärkung von persönlichen und institutionellen Vorbildern, die die Nutzung von PROs in der Versorgung anstoßen und vorantreiben
  6. Last but noch least: die Patientinnen und Patienten. Sie sollen die teilweise sehr persönlichen Fragebögen zu ihrem Befinden, ihren Beschwerden und ihrem Gesundheitszustand ausfüllen. Dies werden sie nur tun, wenn die Fragen, die sie beantworten sollen, möglichst kurz und verständlich sind und wenn dann die Behandlungsteams ihre Antworten auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ systematisch berücksichtigen