In Kürze startet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen neuen Webauftritt: Das „Nationale Gesundheitsportal“ soll für Bürgerinnen und Bürger dem BMG zufolge zum „zentralen deutschen Internet-Zugangsangebot zu Informationen rund um Fragen zur Gesundheit werden“ und deren Gesundheitskompetenz steigern. Wie gut wird das funktionieren? Und welche Faktoren spielen für den Erfolg eine Rolle? Wir haben einen Blick in andere Länder geworfen, in denen der Bevölkerung bereits seit Jahren ein nationales Gesundheitsportal zur Verfügung steht. In Teil 1 unserer Blogreihe vergleichen wir die wichtigsten Funktionalitäten der Portale aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Österreich, Australien und Israel.


Deutschland hat klare Ziele gesetzt: Das neue Nationale Gesundheitsportal soll die allgemeine Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung steigern und sich „streng an den Kriterien der Nutzerorientierung, der Transparenz, der Werbefreiheit, hoher Qualitätsstandards sowie des Datenschutzes“ ausrichten. So lautet die Ankündigung auf der Webseite des BMG.

Angesichts der Flut an Gesundheitsinformationen, die für Bürgerinnen und Bürger im Netz nur einen Klick weit entfernt zur Verfügung stehen, deren Qualität und Seriosität aber in Teilen zweifelhaft ist, oder sich für Laien nur schwer einordnen lässt, ist eine solche zentrale Anlaufstelle für Fragen rund um das Thema Gesundheit ein essenzieller Schritt. Seit vielen Jahren steht sie auf der Agenda der Bundesregierung – nun soll bald der Start erfolgen.

Wissenschaftliche Partner

„Wir werden mit einer kleinen Anzahl an wissenschaftlichen Partnern starten“, sagte Anfang 2020 die Parlamentarische Staatsekretärin Sabine Weiss auf der BMG-Fachtagung „Gesundheitskompetenz im digitalen Zeitalter“. Dazu zählen das Robert Koch-Institut (RKI), das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) sowie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Nach und nach soll der Kreis der Partner erweitert werden.

Eine Frage der Akzeptanz

Wie gut werden deutsche Bürger das neue Portal annehmen? Und wie sehr werden sie es als die Anlaufstelle zur Beantwortung ihrer Gesundheitsfragen nutzen?

Die Konkurrenz ist groß. Denn für die überwiegende Mehrheit der Suchenden ist Google die allererste Anlaufstelle im Netz. Und Gesundheitsportale wie netdoktor.de, apotheken-umschau.de oder onmeda.de sind nur einige der Platzhirsche, die sich im Google-Ranking bei der Suche nach Krankheiten, Diagnosen oder Therapien meistens die ersten Plätze teilen – und die die meisten Nutzer beim Namen kennen. Gesundheitsinformation.de – das staatlich finanzierte öffentliche Portal des IQWiG – ist dagegen in der Bevölkerung weniger bekannt.

Erfolgreiche Portale in anderen Ländern

Dass ein nationales Gesundheitsportal dennoch die große Chance hat, eine zentrale Anlaufstelle für Gesundheitsthemen zu sein, zeigt der Blick in Länder, die seit Jahren erfolgreich solche Portale betreiben.

Im ersten Teil unserer Serie stellen wir Beispiele aus sechs Ländern vor und zeigen, welche Inhalte und Funktionen sie den Nutzern bieten. Dabei konzentrieren wir uns auf Gesundheitsinformationsportale mit allgemeinen, nicht personalisierten Informationen, die Bürger dabei unterstützen, informierte Entscheidungen zu treffen und ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen.1 Eigentümer ist jeweils die Regierung, betrieben werden sie in der Regel dabei von einer von der Regierung finanzierten Organisation.

Die Rolle der ePA

Der Zugang zur elektronischen Patientenakte (ePA) spielt in fünf der sechs Länder eine wesentliche Rolle: Neben allgemeinen Gesundheitsinformationen stehen den Nutzern auch individuelle Informationen über ihre Gesundheitshistorie zur Verfügung. Allerdings variiert der Umfang der ePA von Land zu Land und ist in Ländern wie etwa Dänemark oder Schweden auch regional teilweise unterschiedlich ausgestaltet beziehungsweise sind einige Funktionen regional noch nicht umgesetzt.2

Das Gesundheitsportal healthdirect aus Australien bietet bisher noch keine Anbindung an die nationale elektronische Gesundheitsakte. Der Zugang zur ePA erfolgt dort über die Plattform My Health Record. Eine Integration in die healthdirect-App ist jedoch geplant.3

Allen Portalen mit ePA-Anbindung aber ist gemein, dass der gesicherte Zugang über eine elektronische Bürger-ID erfolgt, und das Gesundheitsportal somit als Anlaufstelle für wichtige Gesundheitsbelange wahrgenommen wird. Umfragen zufolge kennen beispielsweise gut drei Viertel aller Bürger in Dänemark (73%), Schweden (83%) und Norwegen (76%) die jeweiligen Webseiten sundhed.dk, 1177.se beziehungsweise helsenorge.no.4

Verzahnung von allgemeinen und individuellen Gesundheitsinformationen

Grundsätzlich bietet die Verknüpfung mit der ePA das Potenzial, allgemeine Gesundheitsinformationen mit den individuellen Gesundheitsdaten der Patienten entlang ihrer Behandlungs- und Aktenhistorie zu verzahnen. In Österreich etwa können sich Patienten über gesundheit.gv.at in ihre elektronische Gesundheitsakte, kurz ELGA, einloggen und ihre elektronischen Laborbefunde einsehen. Dort ist jeder codierte Laborparameter mit einem Info-Button gekennzeichnet. So gelangen Patienten mit nur einem Klick direkt auf den entsprechenden Laborwertartikel im Gesundheitsportal und erfahren, welche Bedeutung der Parameter hat. Auch Länder wie Dänemark oder Schweden versuchen eine derartige Verzahnung von Inhalten und verlinken zum Beispiel bestimmte Begriffe innerhalb der ePA zu den Inhalten in ihren Krankheitslexika.

Informationsangebot variiert von Land zu Land

Insgesamt umfasst das Informationsangebot der sechs Länderportale stets einen Bereich mit Lexika oder Artikeln von A bis Z zum Thema Krankheiten beziehungsweise zu Symptomen, Diagnosen und Therapien. Umfang, Ausgestaltung und Einteilung in verschiedene Rubriken sind von Land zu Land unterschiedlich. Auch der Einsatz verschiedener Medientypen wie etwa Videos oder Infografiken variiert.

Einige Portale bieten Newsfeeds an. Österreich beispielsweise informiert auf seinem „GesundTicker“ über aktuelle Meldungen aus der Medizin oder Beschlüsse im Gesundheitswesen. Auch Dänemark hat eigens eine Rubrik „Neuigkeiten“. Für das Thema Corona und Covid-19 haben alle Länderportale eigens Bereiche mit aktuellen Artikeln und Service-Informationen eingerichtet. Und Österreich und Israel haben darüber hinaus Microsites im Angebot, also Artikel und Service-Tools, die jeweils in einem übergeordneten Thema zusammengefasst werden.

Funktionalitäten der Portale

Die Portale der sechs Länder halten unterschiedliche Angebote für ihre Nutzer bereit. Die Strategie bei der Erstellung der Inhalte variiert aber von Land zu Land: Beispielsweise setzen Australien, Österreich oder Norwegen auch auf Kooperationen und präsentieren auf ihren Portalen Gesundheitsinformationen, die von externen Partnern wie etwa Fachgesellschaften erstellt werden (mehr zu den redaktionellen Workflows erfahren Sie in unserem nächsten Beitrag).

Nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte als Zielgruppe

In Dänemark, Norwegen und Österreich bieten die Portale darüber hinaus auch Inhalte für medizinisches Fachpersonal: Auf sundhed.dk zum Beispiel existiert als Pendant zum Patientenhandbuch (Patienthåndbogen) noch ein medizinisches Handbuch (Lægehåndbogen), das ebenfalls lexikalische Einträge zu Krankheiten in Fachsprache und mit medizinischen Quellenverweisen enthält. Auf gesundheit.gv.at finden Mediziner unter anderem eine Informationsplattform zu den Themen Arzneimittelsicherheit und Studien in der Onkologie. Und helsenorge.no bietet niedergelassenen Ärzten die Nutzung als Plattform für eine gesicherte Kommunikation mit ihren Patienten an.

Es gibt aber auch Länder, die auf ein zentrales Gesundheitsinformationsportal für ihre Bürger verzichten. Dazu zählt auch eines der führenden Länder, was die Digitalisierung im Gesundheitswesen betrifft: Estland.

Estlands Strategie: Maßgeschneiderte Empfehlungen

Das estnische Portal Digilugu ist das nationale Patientenportal, das Bürgern den Zugang zu ihrer elektronischen Patientenakte bietet. Anstelle von allgemeinen Gesundheitsinformationen, die auch auf anderen privaten Gesundheitsportalen zu finden sind, erhält der Patient individuelle Informationsempfehlungen: Enthält der Eintrag in einer Patientenakte beispielsweise eine bestimmte Diagnose, so können Ärzte dem Patienten relevante Links zu evidenzbasierten externen Quellen empfehlen. „Informationen werden ohnehin von den meisten medizinischen Fachschaften zur Verfügung gestellt. Es macht wenig Sinn, diese nur zu duplizieren“, sagt Madis Tiik, Senior Lecturer an der Tallinn University of Technology und ehemaliger CEO der Estonian eHealth Foundation, die Digilugu ins Leben gerufen hat und betreibt.

Tools zur Unterstützung von Entscheidungen

Langfristig plant Digilulu, Inhalte und Tools zu integrieren, die von EBMEDS zur Verfügung gestellt werden. Die Plattform einer finnischen wissenschaftlichen Vereinigung bietet digitale, medizinisch evidenzbasierte Entscheidungsunterstützungstools sowohl für Ärzte als auch für Patienten. „Es ist unsere Aufgabe, Untersuchungsergebnisse oder Diagnosen für den Patienten in individuelle Gesundheitsinformationen zu übersetzen und nicht nur in allgemeine“, sagt Tiik. Zwar trage das Angebot von allgemeinen Gesundheitsinformationen dazu bei, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu verbessern. Der Mehrwert und die Relevanz sei jedoch für den Einzelnen nicht so groß. „Patienten müssen verstehen, wie sie ihre eigene Gesundheit bestmöglich beeinflussen können.“

1. Bertelsmann Stiftung (Hg.): #SmartHealthSystems – Digitalisierungsstrategien im internationalen Vergleich. S. 388. 2018

2. The Norwegian Directorate of Health: National Health Portals in the Nordics. Analysis and discussion for future development. April 2019. (PDF)

3. Healthdirect Australia: About MyHealth Record https://www.healthdirect.gov.au/my-health-record, aufgerufen im Mai 2020

4. The Norwegian Directorate of Health: National Health Portals in the Nordics. Analysis and discussion for future development. April 2019. (PDF)


 

Dies ist der erste Teil unserer Artikelserie zu Nationalen Gesundheitsportalen – Erfolgsbeispiele aus anderen Ländern. Weitere Themen:

Teil 2: Nationale Gesundheitsportale in anderen Ländern: Wie aus medizinischen Erkenntnissen Patienteninformationen werden

Teil 3 (in Vorbereitung): Nationale Gesundheitsportale in anderen Ländern: Diese Faktoren und Strategien spielen für den Erfolg eine wichtige Rolle

 

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