In Österreichs Gesundheitssystem wird nur noch in Ausnahmefällen gefaxt. Für den National Health Service (NHS) in England wurde kürzlich die Abschaffung von Faxgeräten bis Anfang 2020 beschlossen. Die Initiative #faxendicke will, dass auch in Deutschland der Faxversand in der Medizin schnell ein Ende hat. Dr. Johannes Jacubeit, Mitglied unseres Expertennetzwerks „30 unter 40“ und selbst Entwickler einer digitalen Anwendung zur Übermittlung von medizinischen Daten*, hat die Initiative mit ins Leben gerufen. Im Interview erläutert er Hintergründe und Ziele.


Sie haben vor einiger Zeit die Initiative #faxendicke ins Leben gerufen. Was ist der Hintergrund dieser Initiative und welches Ziel verfolgt sie?

Die Idee für die Initiative ist im Sommer 2018 mit dem sogenannten Faxploit entstanden. Bei dieser Angriffstechnik haben Forscher Sicherheitslücken beim Faxen aufgedeckt, indem sie eine präparierte Fax-Nachricht an ein Multifunktionsfaxgerät sendeten und damit die Kontrolle über dieses und weitere Geräte im internen Firmennetzwerk übernahmen.

Da dieses Worst-Case-Szenario auch in Arztpraxen und Kliniken denkbar ist, haben Frank Stratmann, Heinz Lohmann und die connected-health.eu GmbH gemeinsam #faxendicke ins Leben gerufen – eine Initiative, die über Risiken aufklärt, die durch das Faxen in der Medizin entstehen. In den meisten Medizineinrichtungen läuft das Faxgerät auf Hochtouren, dabei werden sensible Patientendaten versendet ohne mögliche Sicherheitslücken zu reflektieren. Das ist auch kein Wunder, solange im Zeitalter der Digitalisierung das Versenden von Faxen als rechtssicher gilt und besser vergütet wird als der eArztbrief.

Mit #faxendicke hinterfragen wir diesen Status quo, sensibilisieren die Medizinbranche für das Thema und zeigen auf, welche einfachen und datenschutzkonformen Alternativen der Markt zu bieten hat. In einer an das Gesundheitsministerium gerichteten Petition fordern wir unter anderem die Transformation vom Fax hin zu einem neuen Standard-Medium in der Medizin. Und wir plädieren für eine finanzielle Vergütung von Ärzten für die Nutzung sicherer, digitaler Versandwege. Die Online-Petition ist unter change.org/faxendicke einzusehen und kann dort direkt unterzeichnet werden.

Welche Dokumente und Informationen werden nach Ihrer Einschätzung von Arztpraxen und Krankenhäusern per Fax verschickt?

Insbesondere werden im ambulanten Sektor Arztbriefe unter Kollegen gefaxt, laut einer Leserumfrage der Fachverlagsgruppe Springer Medizin und der CompuGroup Medical (CGM) sind es vier Fünftel der niedergelassenen Ärzte, die Dokumente über diesen Weg versenden. Außerdem werden angefragte Befunde an den weiterbehandelnden Arzt gefaxt, Bescheinigungen sowie Auskünfte des Arztes gegenüber Krankenkassen. In seltenen Fällen werden sogar Rezepte an kooperierende Apotheken per Telefax übersandt, offiziell ist dies allerdings unzulässig. Im Klinikumfeld werden insbesondere Arztbriefe, Anmeldungen für Untersuchungen, Laborergebnisse sowie EKGs per Fax verschickt.

Faxgeräte sind der Initiative zufolge ein beliebtes Einfallstor für Hackerangriffe. Welche Konsequenzen hätte ein sogenannter „Faxploit“ im Gesundheitswesen?

Laut dem Bundesdatenschutzgesetz sind Ärzte dazu verpflichtet, technische und organisatorische Maßnahmen umzusetzen, um Patientendaten zu schützen. Gehen bei einem Hackerangriff Patientendaten verloren, so kommt ein Arzt dieser Verpflichtung nicht nach. Möglich sind erhebliche Schadenersatzforderungen. Gelangen Patientendaten in Hände Dritter, sollte dies umgehend der zuständigen Aufsichtsbehörde sowie den betroffenen Patienten mitgeteilt werden.

Mit der Einführung einrichtungsübergreifender Elektronischer Patientenakten bzw. der Telematik-Infrastruktur könnte das Faxgerät perspektivisch de facto abgelöst werden. Wieso braucht es Ihrer Meinung nach trotzdem Aufklärung zur Unsicherheit des Faxgeräts?

Die Realität ist, dass 60-80% der Ärzte – je nach Sektor – weiterhin faxen. Wir können nicht warten, bis die Telematik-Infrastruktur steht, sondern müssen jetzt handeln. In Zukunft wird sich zeigen, ob die verpflichtende Anbindung an die TI so angenommen wird, wie gewünscht und das Fax ablöst. Wir sehen uns außerdem in der Verantwortung, auf Seiten des Patienten aufzuklären, damit sie die Risiken des Faxens kennen und mehr Verantwortung im Umgang mit ihren Daten übernehmen.

Was sind rechtssichere Alternativen zum Fax, die Ärzte für die Kommunikation untereinander und für die Kommunikation mit Patienten derzeit nutzen können?

Genau genommen ist das Fax entgegen der Meinung vieler Nutzer gar nicht rechtssicher. Der mit einem „OK“-Vermerk versehene Sendebericht begründet nicht den Beweis für den tatsächlichen Eingang beim Empfänger. Er belegt nur das Zustandekommen einer Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung von Signalen. Oft reicht bereits eine Aussage des Empfängers aus, er habe das Fax nicht erhalten, um die Beweiskraft des Faxes zu widerlegen. Ebenfalls ist das Fax unwirksam, wenn für eine Erklärung die Schriftform gewünscht ist. Darunter versteht man Dokumente mit eigenhändiger Unterschrift, das Betrifft zum Beispiel die Kündigung von Verträgen.

Entscheidet sich ein Arzt, das Faxgerät nicht weiter zum Versand von Patientendaten zu nutzen, so stehen ihm fundierte digitale Alternativen zur Verfügung, zum Beispiel verschlüsselte E-Mail-Kommunikation.

 

*Möglicher Interessenskonflikt: Das Unternehmen des Interviewten vertreibt eine digitale Anwendung zur Übermittlung von Daten als Alternative zum Fax.

 


Sie möchten keinen Beitrag verpassen?
Abonnieren Sie hier unseren Newsletter: