Der digitale Patient“ beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie Gesundheitskompetenz im digitalen Zeitalter gefördert werden kann. Dazu haben wir Prof. Michael Mackert von der University of Texas befragt. Er hat kürzlich mit seinen Kollegen untersucht, wie sich eine niedrige Gesundheitskompetenz (Health Literacy) von Bürgern auf die Nutzung digitaler Gesundheitsinformationen auswirkt. Das Ergebnis: Patienten mit niedriger Gesundheitskompetenz haben neben einem allgemein schlechteren Gesundheitszustand auch größere Verständnisprobleme im Umgang mit digitalen Lösungen – vor allem, wenn es um den Schutz der Privatsphäre und das Bereitstellen von Informationen geht. Es besteht die Gefahr einer neuen Digital Divide, einer digitalen Kluft. Die Forschungsergebnisse sind kürzlich im Journal of Medical Internet Research erschienen. Im Interview berichtet Studienautor Prof. Mackert, welche Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen zu ziehen sind.


Warum könnten wir auf eine neue digitale Kluft – die Digital Divide – zusteuern, wenn es um die Gesundheitskompetenz verschiedener Bevölkerungsgruppen und deren Entscheidungen über Behandlungen geht?

Prof. Michael MackertMackert: „Ungefähr ein Drittel aller Erwachsenen haben in den Vereinigten Staaten Probleme mit dem Verständnis von Gesundheitsinformationen, wobei Statistiken für andere Länder grob ähnliche Ergebnisse liefern. Der Zugang zum Internet ist an sich mittlerweile weitaus gleichmäßiger verteilt, als es früher einmal der Fall war. Allerdings könnten Entwickler digitaler Gesundheitsanwendungen ohne ausreichende Kenntnis über Gesundheitskompetenz nun Design-Entscheidungen treffen, welche Zugangshürden für die Benutzung durch Bevölkerungsschichten mit geringer Gesundheitskompetenzen darstellen.“

Wie können wir die Qualität der Informationen und die Nutzbarkeit digitaler Anwendungen auch für Bürger mit geringer Gesundheitskompetenz verbessern?

Mackert: „Es gibt bereits Design-Richtlinien zur Schaffung von Materialien, die auch für Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz geeignet sind – zum Beispiel die Richtlinie, einfache Sprache wann immer möglich zu verwenden. Ein wichtiges Anliegen ist mir, dass ähnliche Richtlinien auch für technologische Innovationen geschaffen werden. E-Health schafft neue Chancen, Kommunikationsbarrieren abzubauen. Aber Entwickler und diejenigen, welche neue Technologien designen, sollten wissen, wie sie das noch besser machen können.“

Welche „Hausaufgaben“ sollten Entwickler, Krankenversicherungen und die Politik machen, um das Entstehen einer Digital Divide bei der Nutzung von digitalen Lösungen zu Gesundheitsinformationen zu vermeiden?

Mackert „Ich denke, es geht hier in erster Linie um eine Bewusstseinsfrage. Vor allem Ärzte verstehen mittlerweile weitaus besser, welche Probleme es bei der Gesundheitskompetenz von Patienten gibt und wie wichtig klare und einfache Kommunikationsformen sind. Eine Sensibilisierungskampagne wäre hier ein erster wichtiger Schritt.“

Wie kann Vertrauen in digitale Gesundheitslösungen gefördert werden, ohne das Anliegen der Bürger, ihre Privatsphäre zu schützen, aus den Augen zu verlieren?

Mackert: „Meine Forschung hat das Kernproblem um die Frage des Vertrauens in die Technologie herum beleuchtet. Ich glaube jedoch nicht, dass sie bereits Lösungsansätze bereitstellt. Ich würde sagen, dass wir mehr Forschung brauchen, um die Quellen von Misstrauen besser zu verstehen und dieses anschließend reduzieren zu können.“

Wie können digitale Gesundheitsinformationen die Gesundheitskompetenz der Bürger in der Zukunft verbessern?

Mackert: „Ich denke, dass E-Health im Gegensatz zu anderen Medien in der Lage ist, wichtige Gesundheitsinformationen in origineller und wunderbarer Art bereitzustellen. Es ist ein wesentliches Mittel, um Ungleichheiten im Gesundheitszustand der Bevölkerung anzugehen. Wenn digitale Gesundheitsinformationen gut gemacht sind, können sie denen, die mit Gesundheitskompetenz zu kämpfen haben und den bereits gut Informierten gleichermaßen helfen. Niemand möchte komplizierte Gesundheitsinformationen.“

 


Prof. Michael Mackert forscht an der University of Texas zu Gesundheitskompetenz. Sein Fokus liegt dabei auf der Gestaltung von Gesundheitsinformationen, von denen vor allem Bürger mit geringer Gesundheitskompetenz profitieren.

Das Interview wurde in englischer Sprache geführt und anschließend übersetzt. Es bezieht sich auf die Publikation „Health Literacy and Health Information Technology Adoption: The Potential for a New Digital Divide“ (Mackert et al., 2016).


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