Mehrmals verschoben, doch zum Jahresende 2016 ging es los: Ende November ist Teil 1 der „Pilotphase eGK“ gestartet. In der Testregion „Nordwest“ wird die elektronische Gesundheitskarte in den kommenden Monaten im Echtbetrieb getestet. In Bayern und Sachsen (Testregion „Südost“) sollen die Praxistests in diesen Wochen beginnen. Entscheidend für den Erfolg des Projekts elektronische Gesundheitskarte ist nicht nur eine funktionierende Technologie, sondern auch die Akzeptanz bei allen Beteiligten. Aus diesem Anlass haben wir für diesen Blogbeitrag noch einmal unsere Befragungsergebnisse zur eGK aus dem Gesundheitsmonitor 2016 aufbereitet. Die Daten – erhoben im Sommer 2015 – zeigen eindeutig: Die Bevölkerung steht der eGK in der Mehrheit aufgeschlossen gegenüber. Allerdings braucht es mehr Information und Aufklärung, um entstehende Unsicherheiten abzubauen. Bereits in den Testregionen sollte die Kommunikation – im Sinne einer „Kampagne“ – als strategische Aufgabe mitgedacht und umgesetzt werden.


Die elektronische Gesundheitskarte und die mit ihr verbundene Telematikinfrastruktur (TI) gilt als eines der wichtigsten Reformprojekte im deutschen Gesundheitswesen. Seit mehr als zehn Jahren ist die Karte Dauerbrennerthema in der gesundheitspolitischen Debatte. Interessenkonflikte der Akteure, Datenschutzbedenken und technologische Fragen dominieren den Diskurs. Was bisher zu kurz gekommen ist, ist die Bürgerperspektive: Noch gibt es wenige Erkenntnisse, was Bürger von der Karte erwarten, noch scheinen die Bürgerinteressen in der Konzeption und Kommunikation des Projekts eine untergeordnete Rolle zu spielen. Dem Bürger muss jedoch eine zentrale Rolle im Kontext der eGK beigemessen werden. Denn: Anders als in anderen Ländern, wie etwa in Österreich, müssen sich die Bürger aktiv für die Anwendungen der eGK und die Speicherung von Daten entscheiden („opt-in“-Regelung).

Somit ist eines klar: Die Durchdringung des Projekts und der Nutzwert der Anwendungen hängen zentral von der Akzeptanz der Bevölkerung ab. Doch welche Erwartungen stellen die Bürger an die eGK? Welches Wissen haben sie über die Karte? Und welchen Nutzen erwarten sie?

Bürger stehen der eGK aufgeschlossen gegenüber

Um diese Fragen zu beantworten, haben wir die Bevölkerung zu ihren Erwartungen an die elektronische Gesundheitskarte und zu ihrem Wissen über die Karte befragt. Die Ergebnisse sind im Gesundheitsmonitor 2016 veröffentlicht. Zentral: Die Bürger stehen der eGK in der Mehrheit aufgeschlossen gegenüber. Mehr als jeder Zweite (58 Prozent) befürwortet die Einführung der Karte, 14 Prozent lehnen sie aktuell ab. Die Versicherten sehen den Nutzen vor allem in einem verbesserten Informationsstand von Ärzten und Apothekern und in der Reduktion von gefährlichen Medikamenten-Wechselwirkungen (73 Prozent Zustimmung). Generell erwarten sie einen besseren Überblick der beteiligten Leistungserbringer über den Therapierverlauf von Patienten. Mehr als die Hälfte sagt, die Karte werde die medizinische Versorgung für viele Patienten verbessern.

Unsicherheit hat zugenommen

Ein Vergleich mit Befragungsergebnissen des Gesundheitsmonitors 2006 zeigt, dass – trotz langjährigem Prozess – die allgemeine Akzeptanz dabei relativ stabil geblieben ist, die Zustimmung ist nur leicht gesunken (2006: 64 Prozent). Zugleich hat der Anteil der Unsicheren – in Bezug auf die eigene Einstellung – zugenommen. Während sich 2006 jeder Fünfte nicht über seine Einstellung zur eGK sicher war, ist es jetzt mehr als jeder Vierte.

Mehrheit der Deutschen steht der elektronischen Gesundheitskarte aufgeschlossen gegenüber

Bei den geplanten Anwendungen der eGK erhalten vor allem die Notfalldaten und Informationen zu wichtigen Dokumenten wie Impfpass und Organspendeausweis breite Zustimmung. 82 Prozent der Befragten fänden es gut, wenn für jeden Versicherten medizinische Informationen, die bei einem Notfall erforderlich sind, automatisch gespeichert würden – also, anders als aktuell vorgesehen, sogar ohne explizite Einwilligung. Etwas anders verhält es sich bei der Speicherung von Diagnosen, Therapieempfehlungen und Behandlungsberichten, also den Inhalten einer elektronischen Patientenakte. Sie sollten nach Ansicht des überwiegenden Teils der Befragten nur auf persönlichen Wunsch gespeichert werden (55 Prozent).

Die geplanten Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte erhalten überwiegend Zustimmung

Vermutete Datensicherheit ist wichtiger Faktor für Akzeptanz

Ob die Versicherten die Karte akzeptieren oder nicht, hängt vor allem an der vermuteten Sicherheit der Daten. Aktuell hält mehr als jeder Dritte die Daten, auf die mit der Karte zugegriffen werden kann, für unsicher. Jeder Fünfte ist sich hinsichtlich der Datensicherheit unschlüssig. Jeder Zweite hat zudem Befürchtungen, dass mit der Karte die gespeicherten Daten auch Unbefugten, etwa Krankenkassen, privaten Krankenversicherungen oder Anbietern von Lebensversicherungen, in die Hände geraten könnten.

Wissen über Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte ist defizitär

Warum der Anteil der Unsicheren in Bezug auf ihre Einstellung zur Karte wächst, wird deutlich, wenn man nach dem Informationsstand in der Bevölkerung fragt. 62 Prozent der Bürger geben an, dass sie sich nicht ausreichend oder nur teilweise über die elektronische Gesundheitskarte informiert fühlen. Der unzureichende Informationsstand spiegelt sich auch im Wissen der Bürger zur eGK wider – was mehr als defizitär ist.

In Bezug auf einzelne Zusammenhänge herrschen Missverständnisse und Unsicherheiten vor. Rund die Hälfte der Befragten ist nicht in der Lage einzuschätzen, wie die eGK funktioniert und wie genau der mit ihrer Hilfe erfolgende Zugriff auf gespeicherte Daten vonstattengehen soll. So stimmen 47 Prozent der Aussage zu, dass alle medizinischen Daten auf der Karte gespeichert werden – was nicht dem Planungsstand entspricht, denn die Karte ist für die elektronische Patientenakte „nur“ der Schlüssel.  Deutlich wird: Eine gezielte Information der Bürger vor allem über nutzen- und sicherheitsrelevante Aspekte der eGK fehlt bislang.

Bürger wünschen sich mehr Informationen

Den Bürgern ist es nicht nur wichtig, Hoheit über ihre Daten zu  haben, sie wünschen sich auch mehr Informationen über die Karte. Die Mehrheit der Befragten ist vor allem sehr daran interessiert, wer im Einzelnen auf die Daten zugreifen kann, welche Daten über den Patienten gespeichert werden und ob bzw. wie sie selbst auf die Daten zugreifen können.

Bürger wünschen sich mehr Informationen über elektronische Gesundheitskarte

Auf die Frage, welchen Einrichtungen sie bei der Informationsvermittlung vertrauen würden, halten Bürger vor allem Krankenkassen und Patientenverbände für vertrauenswürdig, weniger Ärzteverbände oder die Politik.

Kommunikation sollte im Sinne einer Kampagne strategisch geplant werden

Aus den Befragungsergebnissen lässt sich vor allem ableiten: Die Basis-Akzeptanz für eine erfolgreiche Projektgestaltung mit Blick auf die Bürger ist weitgehend unverändert vorhanden. Es braucht aus unserer Sicht allerdings mehr (verständliche) Information und Aufklärung über Nutzen und Funktionalitäten der eGK. So können wachsende Unsicherheiten – insbesondere mit Blick auf die Datensicherheit – abgebaut werden. Eine größere Aufgabe liegt natürlich darin, „Skeptiker“ zu überzeugen, jedoch darf dies kein Hinderungsgrund für die Kommunikation sein. Allein die grundsätzlich Aufgeschlossenen nicht „zu verlieren“, ist Kommunikationsaufgabe genug.

Die Kommunikation sollte bereits in den Testregionen und beim Ausrollen der Anwendungen als zentrale, strategische Aufgabe im Sinne einer „Kampagne“ geplant und umgesetzt werden – die Testregionen böten die Möglichkeit, die Wirksamkeit verschiedener Kommunikationsmaßnahmen zu testen.  Zudem müssen natürlich die Anwendungen und Zugriffsmöglichkeiten für Bürger so gestaltet werden, dass sie nützlich und nutzbar sind – denn der erlebte Nutzen entscheidet letztlich über die Akzeptanz. Ein einfaches Mittel, den Nutzen bei der Konzeption im Blick zu haben: die Bürger stärker als bislang einbeziehen.


Im Rahmen des Gesundheitsmonitors wurden 1.598 Versicherte zwischen 18 und 79 Jahren im Sommer 2015 nach ihrer Einstellung zur Karte befragt. Der Beitrag über die elektronische Gesundheitskarte ist im September 2016 im Rahmen des Gesundheitsmonitors veröffentlicht worden. Der Buch-Beitrag wurde gemeinsam mit Susanne Mauersberg und Kai-Helge Vogel vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Timo Thranberend verfasst.

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