Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hinkt Deutschland im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Das zeigt unsere Studie #SmartHealthSystems. Wie kann es gelingen, den Rückstand aufzuholen? Das Magazin „G+G“ hat uns für seine aktuelle Ausgabe gebeten, in einem Kommentar auf diese Frage einzugehen.  Den Kommentar veröffentlichen wir 1:1 bei uns im Blog. Die zentrale Aussage: Das deutsche Gesundheitssystem kann und sollte von den Erfahrungen anderer Systeme lernen. Einige politische Weichenstellungen der jüngeren Zeit entsprechen im Grundsatz dem, was wir in anderen Ländern beobachten konnten. Doch noch fehlt es etwa an einem adäquaten strategischen Rahmen. Und noch gibt es zahlreiche Aspekte, bei denen ein genauerer Blick über die Grenzen lohnt. Einer davon: Die notwendige Förderung von Akzeptanz für digitale Lösungen.


Der Befund an sich ist wenig überraschend: Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hinkt Deutschland anderen Ländern hinterher. Überraschend ist, wie deutlich der Rückstand inzwischen ausfällt. In einer internationalen Vergleichsstudie der Bertelsmann Stiftung landet das deutsche Gesundheitssystem abgeschlagen auf Rang 16 von 17 untersuchten Systemen.

Klar, keines der in der Studie #SmartHealthSystems untersuchten Systeme weist einen perfekten Digitalisierungsstand auf. Und klar, in Estland, Dänemark oder Israel – drei Länder aus der Spitzengruppe – herrschen andere Ausgangsbedingungen als in Deutschland; etwa die Stunde Null nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Estland. Aber auch Gesundheitssysteme mit weniger Etat wie Spanien oder Portugal oder ein großes, föderal organisiertes Land wie Kanada liegen weit vor Deutschland.

Die Folge: Während wir noch über das Wie bei der Etablierung von Elektronischen Patientenakten sprechen, gehen andere Länder schon die nächsten Schritte, zum Beispiel im Bereich der prädiktiven Medizin mit intelligenten Algorithmen. Und zwar flächendeckend.

Von anderen Ländern lernen. Dass das deutsche Gesundheitssystem einen solchen Rückstand hat, liegt nicht an fehlenden Technologien oder gar am mangelnden Innovationspotenzial des Landes. Wir haben eine lebendige Start-up-Szene und international anerkannte Medizintechnikbranche. Seit vielen Jahren gibt es erfolgreiche digitale Projekte, allerdings nur regional oder auf einzelne Versicherer oder Versorger begrenzt.

In einem Bild: Die Zutaten für den digitalen Wandel sind hierzulande vorhanden, doch es fehlte bislang am passenden Rezept, an der richtigen Zusammenarbeit in der Küche und an einem Chefkoch, der diese Zusammenarbeit gut führt. Was also tun? Zunächst einmal: Auch wenn manch einer die Einzigartigkeit unseres Gesundheitssystems beschwört – man kann und sollte von anderen Ländern lernen. Die Studie zeigt ein klares Muster. Die Digitalisierung von Gesundheitssystemen gelingt demnach, wenn drei Dinge zusammenkommen.

Erstens: eine effektive Strategie, die auf einer von den wesentlichen System-Akteuren geteilten Zielvorstellung beruht. Zweitens: politische Führung durch klare Vorgaben und geschickte Einbindung der Akteure. Und drittens: koordinierende Instanzen in Form von nationalen, politisch verankerten Digital-Health-Agenturen, vor allem für den erfolgskritischen Bereich der Standardisierung.

Endnutzer einbinden. Eine gute Strategie besteht nach unserer Beobachtung wiederum aus verschiedenen Aspekten. Die digitale Transformation sollte sich zum einen am Nutzen orientieren, den sie für die Versorgung und das Erreichen von gesundheitspolitischen Zielen erzeugt. In anderen Ländern bewährt hat sich zum anderen ein Vorgehen in pragmatischen Schritten. Einstiegspunkte für den digitalen Wandel können einzelne, indikationsspezifische Behandlungspfade sein oder gezielte Prozessoptimierungen wie das E-Rezept. Darüber hinaus empfiehlt es sich, Endnutzer – nicht nur deren Standesvertreter – systematisch einzubinden und die Förderung von Akzeptanz als strategische Aufgabe zu begreifen.

Akzeptanz fördern. Zurück nach Deutschland. Noch ist nicht ausgemacht, dass die aktuellen politischen Weichenstellungen zum Erfolg führen. Und sicher lässt sich über die konkreten regulatorischen Ansätze streiten. Mit Blick auf unsere Erkenntnisse muss man aber gutheißen, dass die Gesundheitspolitik ihre Führungsrolle zuletzt weiter ausbaut. Auch die sich aktuell andeutenden Anpassungen bei der Steuerung digitaler Gesundheit und das agilere Vorgehen bei der Etablierung von Technologien entsprechen im Grundsatz dem, was wir in anderen Ländern beobachtet haben.

Woran es jedoch noch immer fehlt, ist eine effektive Gesamtstrategie, die das agile Vorgehen rahmt. Warum nicht parallel zur laufenden Entwicklung herausfinden, welche Bedarfe Patienten, praktisch tätige Ärzte und andere Gesundheitsprofession mit Blick auf die digitale Entwicklung tatsächlich haben – zum Beispiel durch Fokusgruppen? Warum nicht im Dialog mit den Akteuren diejenigen Felder definieren, in denen der digitale Wandel besonders vordringlich ist? Und warum nicht spätestens jetzt systematisch über Akzeptanzförderung und die geeignete Kommunikationsstrategie für die Digitalisierung nachdenken?

Denn, als Beispiel: Auch wenn Elektronische Patientenakten 2021 vorhanden sind, heißt das nicht, dass sie auch genutzt werden. Hier lässt sich aus den Erfahrungen anderer Länder lernen. Und nicht nur hier.


Das G+G Magazin, Ausgabe 03/2019, online betrachten


 

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