Der digitale Patient“ will sich in einer Debattenreihe den Möglichkeiten und Grenzen von Big Data im Gesundheitswesen konstruktiv nähern. Unser Blog fungiert dabei als Plattform, wir werden hier Experten aus den verschieden Bereichen zu Wort kommen lassen. Während Florian Schumacher im vorherigen Beitrag von einem Paradigmenwechsel durch Big Data spricht, argumentiert Dr. Thilo Weichert in seinem Gastbeitrag, dass die Voraussetzungen für einen schadlosen Umgang mit persönlichen Gesundheitsdaten noch längst nicht gegeben sind.


Die Datenbetrunkenheit hat die Medizin erreicht: Mit Big Data wollen viele Wirtschaftsvertreter und Technikfetischisten die Gesundheit der Bevölkerung steigern. Und mit Gesundheits-Apps und Fitness-Trackern meint mancher Mensch, sich und seine Gesundheit zu optimieren. Zweifellos lassen sich mit den im Gesundheitssystem erfassten Patientendaten neue Erkenntnisse über Krankheiten, deren Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten, gewinnen. Doch darf dabei keine Goldgräberstimmung ausbrechen, wie wir sie von US-amerikanischen, im Internet aktiven Konzernen kennen, die jetzt unkontrolliert Gesundheitsdaten schürfen wollen.

Dies gilt zunächst für die elektronischen Schritte- und Kalorienzähler. Diese sind oft nicht nur unzuverlässig, sondern basieren zumeist auf der äußerst platten Erkenntnis, dass Bewegung für die Gesundheit gut tut. Hierfür benötigt ein aufgeklärter und selbstbewusster Mensch keinen elektronischen Antreiber. Hauptfunktion dieser „Tracker“ ist das Sammeln privater Daten und deren kommerzielle Verwendung durch die Informations-, Werbe- oder die Versicherungswirtschaft.

Vertrauen ist wichtigste Garantie für gute Behandlung

Erst Recht ist Vernunft bei medizinischen Anwendungen gefordert, da ohne diese die wichtigste Voraussetzung für einen optimalen Behandlungsprozess verloren geht: das Vertrauen der Patientinnen und Patienten gegenüber ihren Ärzten oder sonstigen Behandlenden. Fehlt dieses Vertrauen, weil der Patient befürchtet, dass seine Gesundheitsdaten bei privaten Firmen – von der Pharmabranche bis zum eigenen Arbeitgeber – landen, wird er sich nicht vollständig gegenüber dem Arzt offenbaren. Diese Offenheit, die dem Arzt die nötigen Daten für die Behandlung verschafft, ist die wichtigste Garantie für eine gute Behandlung.

Voraussetzungen für schadlose Datennutzung nicht gegeben

Angesichts des heutigen technischen Stands und der Arbeitsteilung in der Medizin geht es dabei natürlich nicht ohne digital erfasste Daten. Doch diese müssen grundsätzlich zwischen Arzt und Patient vertraulich bleiben. Dabei hilft eine starke Datenverschlüsselung. Bevor diese Daten für medizinische Analysen herangezogen werden können, muss gewährleistet werden, dass den Patienten daraus keine Nachteile entstehen. Hierfür gibt es digitale Anonymisierungs- und Pseudonymisierungswerkzeuge. Mit geschlossenen Systemen und Treuhändermodellen kann erreicht werden, dass auch beim Zusammenführen großer Datenmengen die Vertraulichkeit, also der Datenschutz, gewahrt bleibt. Davon wollen viele Big-Data-Fetischisten wenig wissen, weil ihnen das manche Geschäftsmodelle unmöglich macht, mit denen viel Geld verdient werden könnte. Im Vordergrund muss weiterhin der Mensch stehen, nicht die Optimierung der Datenausbeutung. Hierfür ist dann auch nötig, dass den Menschen offen mitgeteilt wird, wer in welcher Form welche seiner Daten für welche Zwecke nutzt. Wer daraufhin seine Daten freimütig bereitstellen möchte, der soll dies gerne tun. Doch ohne Zustimmung darf eine konkrete Nutzung nur erfolgen, wenn sichergestellt wird, dass mit den Daten kein Schaden angerichtet wird, keine Diskriminierung oder Manipulation erfolgt. Dafür fehlen derzeit oft noch die nötigen technischen, organisatorischen und rechtlichen Voraussetzungen – eine Erkenntnis, die bisher noch nicht in der deutschen Politik angelangt ist.


Im nächsten Beitrag wird Dr. Silja Samerski darüber bloggen, wo die Möglichkeiten und Grenzen von Big Data für medizinische Entscheidungen liegen sollten.

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