Der digitale Patient“ will sich in einer Debattenreihe den Möglichkeiten und Grenzen von Big Data im Gesundheitswesen konstruktiv nähern. Unser Blog fungiert dabei als Plattform, wir werden hier Experten aus den verschieden Bereichen zu Wort kommen lassen. Florian Schumacher argumentiert in seinem Auftaktbeitrag, dass mehr Daten mehr Probleme lösen können, wir gar vor einem Paradigmenwechsel der Gesundheitsversorgung stehen.


Daten sind seit jeher die Basis für wissenschaftlichen Fortschritt und auch die moderne Medizin wäre ohne empirisches Vorgehen nicht denkbar. Während die Erhebung von Daten in den letzten Jahren immer einfacher und genauer wurde, blieb die Nutzung dieser Daten im Sinne der Wissenschaft und Erkenntnis weit hinter ihrem Potential zurück. Eine Tatsache, die sich rasch ändert.

Immer mehr Deutsche nutzen Gesundheits-Apps und Activity-Tracker um die Zahl ihrer Schritte, ihren Kalorienverbrauch oder ihren Puls zu messen. Sie brechen dadurch mit einer lange gepflegten Tradition der Datensparsamkeit und speichern gesundheitsrelevante Informationen in digitalen Systemen. Eine Idee, die auch in Gesundheitswirtschaft viele Anhänger hat, sich dort aber in Deutschland auch nach jahrelangen Bemühungen noch immer im Entwicklungsstadium befindet. Die Bürgerinnen und Bürger dagegen sammeln immer mehr Daten und interessieren sich neben der Bewegungsmessung auch immer häufiger für Blutwerte und Gentests. Angetrieben sind sie dabei von der Hoffnung, nützliche Hinweise zur individuellen Optimierung der eigenen Gesundheit zu erhalten. Auch wenn die Genauigkeit und der Nutzen der Consumer-Testverfahren in vielen Fällen Raum für Kritik lässt, ist den Anwendern klar, dass die Zeit der „One Size fits All“ Gesundheit vorbei ist und mehr Daten besser informierte Entscheidungen erlauben.

Big Data: Die Zeiten von „One Size fits All“ sind vorbei

Damit diese Erwartung zukünftig erfüllt wird, ist die Gesundheitswirtschaft gefragt, intelligente Lösungen für ernste gesundheitliche Herausforderungen und Krankheiten zu liefern. Erste Ansätze dazu sind vielversprechend, wenn KI-Systeme wie Watson tausende radiologische Diagnosen analysieren und dabei lernen, selbst die besten Therapie-Empfehlungen abzugeben. Aber damit medizinische Assistenzsysteme wie IBM Watson sich auf Dauer über isolierte Insel-Talente hinaus entwickeln können, brauchen die Systeme ein umfassendes Training in Form von Daten. Große Berge von Daten. Am besten solche aus dem Leben, die von deutschen Diabetikern, zugewanderten Herzpatienten oder auch gesunden Menschen, die dann als Referenz dafür dienen, wie es im Idealfall aussehen könnte. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Daten aus den Aktenschränken der Arztpraxen und Kliniken befreien und für die medizinische Forschung und die Entwicklung besserer medizinischer Assistenzsysteme verfügbar machen.

Unter anderem befeuert durch den Daten-Enthusiasmus vieler Bürger mit ihren Activity-Trackern und Smartwatches, herrscht nun endlich auch gesellschaftlich eine Zustimmung zur Einführung einer elektronischen Patientenakte, sodass wir in Deutschland auf das Ende des Steinzeitalters der Gesundheitsdaten hoffen dürfen. Relevant ist dies, weil wir damit einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitsversorgung erreichen. Im Vergleich zur heute gängigen Praxis ermöglicht Big Data Studien in einem ganz neuen Ausmaß und in einer neuen Granularität, welche es uns erlaubt statt pauschaler Therapieempfehlungen individuelle Hilfe zu leisten. Mehr Daten ermöglichen es uns dann mehr Probleme zu lösen; und die ersten Ansätze hierzu sind vielversprechend.


Im nächsten Beitrag wird Dr. Thilo Weichert bloggen, wie das Sammeln von Daten ohne entsprechenden Datenschutz zu Vertrauensverlust in der Gesundheitsversorgung führen kann.

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